Fiat Chrysler investiert kräftig in Italien - nzz.ch, 29.11.2018
Fiat Chrysler (FCA) will in den nächsten zwei Jahren in Italien investieren und aus dortiger Produktion neue oder überarbeitete Modelle auf den Markt bringen.
Fiat Chrysler (FCA) will im Zeitraum von 2019 bis 2021 rund 5 Mrd. € in Italien investieren und aus dortiger Produktion 13 neue oder überarbeitete Modelle auf den Markt bringen. Das haben der CEO Mike Manley und der Europa-Chef Pietro Gorlier nach einem Treffen mit Gewerkschaftsvertretern in Mirafiori bei Turin angekündigt. Mirafiori soll der Standort für eine neue Plattform werden, auf der etwa die Elektroversion des Fiat 500 produziert wird. In den sieben italienischen Autowerken sollen auch ein neuer SUV von Alfa Romeo, Maserati- und Jeep-Modelle sowie Hybrid- und Elektromodelle vom Band laufen. Das ursprünglich für Ende 2021 angekündigte Ende von Dieselantrieben wurde verschoben. Die Nachfrage vor allem kommerzieller Kunden nach Dieselfahrzeugen sei nach wie vor gross, hiess es.
Gewerkschaften sind zufrieden
Mit dem Programm, das Teil der noch vom inzwischen verstorbenen Konzernchef Sergio Marchionne vorgestellten Mittelfristplanung ist, will die Geschäftsführung Vollbeschäftigung in Italien herstellen. Die Gewerkschaften hatten das Treffen verlangt, weil viele Werke nicht ausgelastet sind. Es hatte auch Gerüchte über die Schliessung einer Fabrik gegeben. Die Gewerkschaften zeigten sich nach dem Treffen zufrieden. Sie äusserten die Hoffnung, dass die Massnahmen ausreichen, um die Beschäftigung zu sichern. Allerdings handelt es sich bei den meisten geplanten Modellen eher um Nischenfahrzeuge mit begrenzten Stückzahlen.
Seit einiger Zeit wird spekuliert, die Marke Fiat könnte an Peugeot Citroën (PSA) verkauft werden. Auch eine Herauslösung der Marken Alfa Romeo und Maserati ist immer wieder in Diskussion. Beide Marken sollen eigentlich mit den deutschen Premiummarken konkurrieren. Doch bei Maserati ist der Absatz in diesem Jahr um 30% gesunken, und Alfa Romeo dümpelt etwa bei 150 000 Verkäufen. Für 2022 wären eigentlich 400 000 geplant. Von Lancia ist schon gar nicht mehr die Rede.
In den letzten Jahren hatte sich FCA bereits von Ferrari und dem Landmaschinen- und Nutzfahrzeughersteller CNH Industrial getrennt, die jeweils separat an die Börse gebracht wurden. Der Komponentenfertiger Magneti Marelli wurde vor wenigen Wochen an KKR veräussert. Angeblich soll nun auch die Robotikfirma Comau verkauft werden. FCA braucht dringend Geld, um die überalterte Modellpalette zu erneuern und alternative Antriebe zu entwickeln. Ein Teil des Magneti-Marelli-Verkaufserlöses fliesst jedoch in eine Sonderdividende, von der vor allem der Grossaktionär Exor profitiert.
Schwaches Europageschäft
Besorgniserregend für Fiat Chrysler ist, dass die Absatzsteigerungen und Gewinne praktisch ausschliesslich aus Nordamerika und von der Marke Jeep kommen. Im dritten Quartal kamen 60% der Verkäufe, zwei Drittel des Umsatzes und 97% des Gewinns aus der Nafta-Zone. Italien trug 2017 mit 8,7 Mrd. € weniger als 8% zum Konzernumsatz von 110,9 Mrd. € bei, Europa nur knapp 20%. Mit einem europäischen Marktanteil von 6,3% im dritten Quartal, der ausschliesslich auf gute Verkaufszahlen von Jeep zurückzuführen ist, liegt Fiat, das einst mit Volkswagen um die Führungsposition auf dem alten Kontinent kämpfte, unter «ferner liefen». Im Europageschäft wurden im dritten Quartal ebenso wie in Asien sogar rote Zahlen geschrieben. Sollte US-Präsident Donald Trump ernst machen mit seinen Handelszöllen auf Importen, drohen Produktionsverlagerungen in die USA, die das Übergewicht Nordamerikas noch verstärken würden.
Dem im Juli verstorbenen Marchionne war es nicht gelungen, eine Allianz mit einem anderen Autohersteller zu schmieden. Als mögliche Partner wurden in der Vergangenheit vor allem GM und Ford genannt, zuletzt auch PSA. Experten hielten jedoch Hyundai, das Interesse bekundet hat, für besser geeignet, weil die Koreaner im Gegensatz zu FCA stark bei alternativen Antrieben sind, finanzielle Mittel haben und die Schwäche von FCA in Asien ausgleichen würden. Dort ist der Konzern praktisch nicht präsent.