Tesla-Konkurrenz von Maserati - nzz.ch, 20.06.2016
Sergio Marchionne vollzieht eine Kehrtwende und wird vom Tesla-Kritiker zum potenziellen Konkurrenten im Elektroauto-Markt. Ab 2019 soll es Hybride und Elektroautos von Maserati geben.
Noch vor wenigen Tagen kritisierte der CEO von Fiat Chrysler Automobiles (FCA) das Geschäftsmodell des kalifornischen Elektroauto-Spezialisten Tesla als nicht nachvollziehbar. Doch auf einmal tönt alles ganz anders.
Denn nun äussert sich Marchionne gegenüber Bloomberg TV plötzlich durchaus positiv, was den Bau von Elektroautos betrifft. So soll es ab 2019 elektrifizierte Versionen des kommenden Maserati-Sportwagens Alfieri sowie ein kleineres elektrisches Stadtauto der Marke mit dem Dreizack geben.
Noch am Genfer Autosalon 2016 zeigte Marchionnne wenig Verständnis für das Geschäftsmodell von Tesla, doch nun sagt er: «Ich war immer der Meinung, dass Fiat Chrysler das Geschäftsmodell von Tesla nachmachen könnte, denn wir haben die Marke und die Modelle dafür.»
Einer der Gründe für Marchionnes Meinungsumschwung könnten die Ankündigungen der vergangenen Tage von Volkswagen und Mercedes sein, den Fokus deutlich in Richtung Elektromobilität zu verschieben.
So meint Marchionne nun: «Ich glaube, es wäre interessant, eines der potenziellen Fahrzeuge als Experiment in diesem Bereich zu nutzen.»
Doch hegt der Fiat-Chef immer noch leise Zweifel am Elektroauto: «Ich bin nicht so überzeugt wie andere, dass Elektrifizierung die heilsbringende Lösung ist. Wir müssen experimentieren, genauso wie wir es derzeit mit dem vernetzten Auto tun. Die Elektrifizierung könnte eine der möglichen Lösungen sein.»
Bisher gibt es beim FCA-Konzern nur ein Modell mit reinem Elektroantrieb. Der Fiat 500e wird jedoch nur für Kalifornien produziert, um die gesetzlichen Anforderungen für den Vertrieb von Fahrzeugen im US-Staat einzuhalten. Bereits 2014 riet Marchionne halb scherzhaft davon ab, einen elektrischen Cinquecento zu kaufen, da Fiat bei jedem Modell mindestens 10'000 Dollar verliere.
Die Ankündigung, das Tesla-Geschäftsmodell replizieren zu wollen, passt immerhin zu Marchionnes kritischer Äusserung zur Langfristigkeit der Tesla-Idee vor wenigen Tagen: «Man muss sich klar machen, dass es nichts gibt, was ein anderer Autohersteller nicht nachbauen könnte.»
Dem Weg der meisten anderen Autobauer — von den nennenswerten Herstellern bietet nur Mazda keine Hybridantriebe an — verfolgt FCA ebenfalls. Marchionne bestätigt, dass es mehr Hybridautos vom Fiat-Konzern geben wird, um die Emissionsobergrenzen der Zukunft einhalten zu können.
Doch könnte Marchionnes Sinnungswandel auch mit seinem bevorstehenden Rücktritt in Zusammenhang stehen. Maserati soll nicht vor Ablauf des aktuellen FCA-Fünfjahresplans, also nicht vor Ende 2018 Elektroautos im Angebot haben. Zum gleichen Zeitpunkt endet Marchionnes Amtszeit. Ein vollelektrischer Alfieri als Konkurrent zum Tesla Model S dürfte ein willkommenes Pensionsgeschenk sein.