Kein Luxus - Fahrbericht Iveco Daily mit ZF-Achtstufen-Automatik - heise.de, 30.07.2015
Von wegen Transporter, der neun Meter lange Iveco Daily ist schon ein ziemlich ausgewachsenes Exemplar. Respektable 7,2 Tonnen darf er mit Ladung wiegen und konkurriert mit fast vier Tonnen Nutzlast mit mittelschweren Lkw vom Schlage eines Mercedes Atego. Um seinen Fahrern die Arbeit zu erleichtern, bietet Iveco ein automatisches Getriebe an.
Nicht irgendeines, sondern ein sehr prominentes Getriebe übersetzt die Kraft der Daily-Motoren in acht Stufen. Es kommt vom renommierten Getriebehersteller ZF und trägt dort die Produktbezeichnung 8HP70, während es beim italienischen Fahrzeughersteller "HiMatic" heißt. Ein überaus erfolgreiches Produkt: Es findet mittlerweile in weltweit mehr als 1000 Fahrzeugtypen Verwendung und hat sich selbst in hochklassigen PKW einen guten Namen gemacht. BMW beispielsweise setzt das Getriebe [1] vom kompakten 1er bis zur Luxuslimousine 7er [2], Audi in A6 bis A8 [3] und Q5 ein, aber auch Bentley, Jaguar Land Rover [4] und Rolls Royce vertrauen auf das Räderwerk, um nur einige zu nennen. Im Transporter und mittelschweren Lastkraftwagen gibt es der Getriebe-Hersteller für sieben Tonnen Gesamtgewicht frei. Wie in den dynamischen Pkw ermöglicht es auch im Nutzfahrzeug Doppelschaltungen und direkte Mehrfachschaltungen.
Nicht schwerer aber teurer
Eine gute Nachricht noch vorweg: Die Automatik bringt kein Kilogramm mehr auf die Waage als das standardisierte Handschaltgetriebe. Billig ist das optionale Hightech-Getriebe nicht. Laut Preisliste schlagen rund 4000 Euro mehr zu Buche, doch die Vertriebsexperten winken ab: "Verhandlungssache" sagen sie und sprechen von einem realistischen Aufschlag von vielleicht 1500 Euro.
Iveco lässt das Getriebe 7,2 Tonnen anschieben. Das Eingangsdrehmoment an der Welle bleibt vergleichsweise niedrig, unser Daily mit Trockenfracht-Kofferaufbau bringt es auf maximal 470 Nm, was die Reserven des 8HP70 nicht annähernd nutzt: ZF nennt ein mögliches Eingangsdrehmoment von 700 Nm. Unter der Haube sitzt der mit 151 kW/205 PS stärkste angebotene Diesel, der trotz nur drei Liter Hubraum keine Anfahrschwäche kennt. Und wenn es sie gäbe: Das Automatikgetriebe kompensiert sie mit gekonnter Überhöhung des Drehmoments, die der hydraulische Wandler beim Anfahren erzeugt.
Wie an einem Gummiband gezogen und ganz ohne Schaltrucke beschleunigt der Groß-Transporter. Die Schaltarbeit ist vielfach nur am Zucken der Drehzahlmesser-Nadel zu bemerken. Das liegt einerseits an der gekonnten Abstimmung des Wandlers, andererseits an den kleineren Drehzahlsprüngen durch die hohe Zahl an Gängen. Schnell ist die Transportgeschwindigkeit erreicht, bei Autobahntempo (85 km/h) rotiert die Kurbelwelle mit moderaten 1800 Umdrehungen. Reichlich Reserven für die nächste Steigung, der Daily fällt nicht zurück und kann mit den hochmotorisierten Trucks locker mithalten.
In der Stadt, wenn es eng und hektisch wird, hat der Fahrer die Hände am Lenkrad – er kann sich auf Gas geben, Bremsen und Lenken konzentrieren. Ein weiterer Spartrick des 8HP70 kommt ebenfalls im großstädtischen Lieferverkehr zum Zuge: Seine Standabkopplung lässt den Motor im Leerlauf unbelastet drehen.
Wo bleibt der Retarder
Nur dort, wo es steil bergab geht, fehlt eine wirksame Dauerbremse – jedenfalls bei so großen Fahrzeugen. Denn der kleinvolumige Motor plus Automatik bremsen im Gefälle nur wenig. Da müssen es dann die Radbremsen packen. Ein Magnetarder oder eine Telma-Wirbelstrombremse an der Kardanwelle könnten es richten. Aber noch gibt es Unverträglichkeiten mit der Automatik, die Iveco noch nicht im Griff hat. Doch, wenn es so weit sein sollte, könnte die Automatik auch in den Daily-Minibussen zum Einsatz kommen, dort wird sie dringend gefordert. Im Stadtbetrieb, auch auf der Autobahn, wo die Kleinbusse 100 km/h schnell fahren dürfen. Und dort, wo es auf und ab geht, im Umlandverkehr, könnten die Daily-Omnibusse mit Automatik sicher punkten. Zudem bieten sie als Sechs- oder Siebentonner mit guten Gewichtsreserven mehr Nutzwert als die Sprinter-Kleinbusse des Wettbewerbs. Für diese gelten höchstzulässige fünf Tonnen, für einen vollbesetzten 22-Sitzer ist das ein bisschen wenig.