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schneemann

Suchtbolzen

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Sonntag, 16. August 2015, 17:58

Wie der Fiat-Erbe das Agnelli-Imperium umkrempelt

Wie der Fiat-Erbe das Agnelli-Imperium umkrempelt - handelsblatt.de, 13.08.2015

Der Name Agnelli ist untrennbar mit Fiat und Turin verbunden. Doch unter der Führung des smarten John Elkann hält der italienische Clan Einzug in die glitzernde Welt der Hochfinanz.

Ein renommiertes Finanzmagazin. Mit viel Einfluss und Macht. "The Economist" ist Pflichtlektüre für alle, die etwas zu sagen haben. Der Eigentümerkreis ist exklusiv, nur die nobelsten Familien gehören ihm an. Die Cadburys, die Laytons, die Rothschilds und die Schroders. Doch der größte Aktionär kommt seit dieser Woche aus Italien. Der Fiat-Clan Agnelli erhöht seine Beteiligung von 4,7 auf 43,4 Prozent.

Eingefädelt hat das alles John Elkann, 39, Enkel des langjährigen Fiat-Präsidenten Gianni Agnelli. Der groß gewachsene Mann mit dem Wuschelkopf steuert die Familie aus der Autostadt Turin in Hochfinanz. Fiat und Italien verlieren für die Familie an Gewicht, ihre neuen Fixpunkte heißen London und New York. Die City und die Wall Street.

Zuerst übernimmt Elkann für 6,9 Milliarden Dollar (6,3 Milliarden Euro) den Rückversicherer PartnerRe mit Sitz auf den Bermudas. Nur ein paar Tage später stockt er für 287 Millionen Pfund (405 Millionen Euro) bei "The Economist" auf. Ein prestigeträchtiger Erfolg. "Wir haben immer schon die journalistische Integrität und den wahrhaft globalen Horizont bewundert, die Erfolgsgrundlage des 'Economist' sind", sagt Elkann. "Wir unterschreiben seine historische Mission: 'teilhaben an dem harten Wettbewerb zwischen der Intelligenz, die nach vorne strebt, und der unwürdigen, ängstlichen Ignoranz, die unseren Fortschritt behindert'."



Nicht nur ein Generationen-, sondern auch ein Epochenwechsel. Gianni Agnelli, genannt der "Avvocato", war Wirtschaftskapitän, inoffizieller Außenminister Italiens und Stilikone in Personalunion. Er war gesegnet mit dem Profil eines römischen Feldherrn, mit dem Charme eines Leinwandhelden vom Kaliber des Schauspielers Marcello Mastroianni und, wenn sein Fußballverein Juventus Turin spielte, mit dem Temperament eines hitzköpfigen Tifoso in der Kurve.

Nach dem Tod Giannis im Jahr 2003 führt John Elkann, genannt "Yaki", das Erbe fort. Der Sohn von Margherita Agnelli und dem französischen Schriftsteller Alain Elkann verkörpert einen ganz anderen Typus. War Gianni der Inbegriff des italienischen Mannes, elegant, verführerisch, so ist John der perfekte Schwiegersohn. Wohlerzogen, höflich, exzellent ausgebildet, mehrsprachig. Geboren in New York, aufgewachsen in Großbritannien, Brasilien und Frankreich. Italien kannte er bis zu seinem 18. Lebensjahr nur aus den Ferien. Das spürt man an seinen Entscheidungen. Er verschiebt das Gewicht des Agnelli-Imperiums. Weniger Italien, weniger Auto, mehr Finanz.

Rund 250 Mitglieder zählt der Agnelli-Clan heute. Die Schlüsselfiguren sind John Elkann, dessen Cousin Alessandro Nasi und Tiberto Brandolini d'Adda, ein Neffe Gianni Agnellis. Einflussreicher Berater des Clans ist Gianluigi Gabetti. Über 90 Jahre alt ist Gabetti inzwischen. Der Jurist, der seit den 70er-Jahren an der Seite der Agnellis weilt, ist die graue Eminenz, die alle Geheimnisse kennt.

Bei Elkann laufen die Fäden zusammen

Das Sagen hat aber letztlich John Elkann. Alles läuft bei ihm zusammen. Vereint sind rund 90 Familienmitglieder in der Gesellschaft Giovanni Agnelli e C. Sapaz. Sie ist Mehrheitsaktionärin der Exor-Holding, in der Beteiligungen an Fiat Chrysler Automobiles (FCA), dem Landmaschinenhersteller CNH und bald auch PartnerRe gebündelt sind. Elkann ist Präsident von Giovanni Agnelli e C. Sapaz, Präsident von Exor und Präsident von FCA. Er ist der Mann, auf den es ankommt.

2009 übernimmt Fiat den US-Wettbewerber Chrysler. Es entsteht der gemeinsame Konzern FCA, der in Amsterdam zu Hause ist, in London seinen Steuersitz hat und in New York gelistet ist. Den Großteil der Gewinne erzielt FCA heute in den USA. Die Fiat-Werke in Italien, seit Jahren chronisch unterausgelastet, werden zum Export umfunktioniert. In Melfi in der süditalienischen Region Basilikata beispielsweise wird der Jeep Renegade hergestellt.

Auf Ebene der Holding bleibt ebenfalls nichts wie es einmal war. Die Struktur wird zwischen 2004 bis 2009 radikal vereinfacht. Gab es früher fünf Gesellschaften, unter anderem Worms et compagnie of France, Ifi und Ifil, so besteht mit Exor heute nur noch eine fort. Die Agnelli-Schatztruhe erinnert einige Analysten heute an Berkshire Hathaway von Warren Buffett.

Der 84-jährige amerikanische Milliardär und Kultinvestor mischt mit seiner Gesellschaft in Dutzenden von Sektoren mit. Das "Orakel aus Omaha" hält Anteile an dem Rückversicherer General Re, an dem Ketchuphersteller Heinz, an der Eisenbahn The Burlington Northern and Santa Fe Railway. Diese Woche erwarb er das Industrieunternehmen Precision Castparts, das die Flugzeug- und Energiebranche beliefert. Buffett steckt sein Geld in Firmen, deren Bilanzen und Geschäftsmodelle einfach sind. Er sieht sich als langfristiger Teilhaber und nicht als Spekulant.

Entwicklung bei Agnelli ist symptomatisch für Italien

Für Elkann sind Buffett und dessen rechte Hand Charlie Munger Idole. In den vergangenen Jahren besuchte er alle Hauptversammlungen von Berkshire Hathaway. "Berkshire Hathaway ist ein Erfolgsmodell. Allerdings sind wir uns bewusst, dass Exor sein eigenes Modell und seine eigene Identität finden muss", sagt ein Exor-Sprecher. Elkann beschreibt Exor wie folgt: "Wir bauen Unternehmen auf, die eine langfristige Perspektive haben."

PartnerRe hat im Portfolio der Agnellis künftig ein ähnliches Gewicht wie Fiat-Chrysler. Rückversicherung verhält sich zur Autobranche antizyklisch. Soll heißen: Sollte FCA in die Krise rauschen, dann kann Exor in der Zukunft den Einbruch besser kompensieren. Nicht nur das. Der Rückversicherer verspricht im Gegensatz zu FCA einen stetigen Fluss an Dividenden. Das wiederum garantiert, dass die wachsende Schar der Agnellis zufriedengestellt wird.

Fiat heißt nun Fiat Chrysler Automobiles. Was sich im Hause Agnelli abspielt, ist symptomatisch für Italien. Der Kapitalismus all'italiana verschwindet. Früher waren Familien wie die Agnellis, die Pirellis oder die Pesentis ganz auf Italien konzentriert. Die Mailänder Investmentbank Mediobanca versorgte sie unter ihrem Chef Enrico Cuccia mit dem notwendigen Kapital. Über Überkreuzbeteiligungen und Aktionärspakte bestimmte so ein kleiner elitärer Zirkel, genannt der "Salotto buono", der "vornehme Salon", die Geschicke der Wirtschaft.

Wirtschaft öffnet sich für Ausländer

Die Zeiten sind vorbei. Italiens Wirtschaft öffnet sich. 2015 ist ein einschneidendes Jahr. Die Agnellis schnappen sich PartnerRe und werden größter Aktionär des "Economist". Der Reifenhersteller Pirelli geht an den chinesischen Chemiekonzern ChemChina. Der Pesenti-Clan aus Bergamo stößt Italcementi an den deutschen Rivalen HeidelbergCement ab. Die Mediobanca trennt sich von ihren Industriebeteiligungen und kauft mit dem Vermögensverwalter Cairn Capital zum ersten Mal in ihrer 70-jährigen Geschichte im Ausland zu.

Laut dem Datendienstleister Dealogic ließen ausländische Firmen seit Jahresbeginn knapp 38 Milliarden Dollar (34 Milliarden Euro) springen, um sich in Italien einzukaufen. Das sind 77 Prozent mehr als in der Vorjahresperiode. Auch in der umgekehrten Richtung boomt es. Mit knapp 14 Milliarden Dollar (12,6 Milliarden Euro) engagierten sich italienische Firmen im Ausland. Das seien 22 Prozent mehr als 2014, schreibt Dealogic in einer Kurzanalyse.

Der weitere Weg für Elkann und die Agnellis zeichnet sich bereits ab. FCA dürfte für die Agnellis perspektivisch an Bedeutung verlieren. Im vierten Quartal 2015 wird Ferrari aus FCA ausgegliedert und an die Börse gebracht. Die Agnellis werden so direkte Anteilseigner der Sportwagenschmiede aus Maranello, die bis zu 10 Milliarden Euro wert sein dürfte. Das ermöglicht den Agnellis, bei Ferrari drin zu bleiben und den Anteil von derzeit 29 Prozent an FCA zu senken.


schneemann

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Sonntag, 16. August 2015, 17:58

Die Kennedys Italiens

Das ist mehr als ein bloßes Gedankenspiel. FCA-Chef Sergio Marchionne hält bereits nach Partnern für den italienisch-amerikanischen Autobauer Ausschau. Er feuerte eine E-Mail an Mary Barra, die Chefin von General Motors, ab. Barra erteilte ihm zwar eine Abfuhr, doch Marchionne wird wohl hartnäckig bleiben. Vielleicht wird er es auch bei Apple oder bei Google versuchen. Schließlich arbeitet das Silicon Valley mit Hochdruck an dem fahrerlosen Auto. Ein Zusammenschluss mit einem Konkurrenten wäre für Elkann die Gelegenheit, das Risiko FCA zu verringern. Exor sagt dazu offiziell: "Exor hat nicht vor, seinen FCA-Anteil zu verkaufen. Sollte sich jedoch die Chance eröffnen, FCA zu stärken, zum Beispiel über ein Fusion mit einem anderen Autobauer, dann hat Exor sich bereits dazu bereit erklärt, eine Verwässerung seines Anteils zu erwägen."

Die Galaxie der Agnellis bewegt sich unter John Elkann rasant. Viele Italiener denken da wehmütig an die alten Zeiten zurück. Die Agnellis sind die Kennedys Italiens. Glamour und Tragödie, Gipfel und Abgrund, mondän und melancholisch. Alles vereint in einer Figur wie Gianni Agnelli, der in allen Lebenslagen gute Figur machte. Im Anzug mit Krawatte vor dem Fiat-Werk Mirafiori. Im offenen Hemd auf der Yacht. In der Daunenjacke auf den Pisten von Sankt Moritz.

Den Italienern bleibt nur Nostalgie. Doch dabei vergessen sie, dass Gianni Agnelli selbst von der Verklärung der Vergangenheit herzlich wenig hielt. 1984 ist der "Avvocato" zu Gast in der Fernsehsendung "Mixer" des italienischen Staatsfernsehens. Der Moderator fragt ihn, was er seinen Kindern auf den Weg gibt. Agnelli erweitert seine Antwort auf die Jugend im Allgemeinen. Energisch und entschieden sagt er: "Sie müssen Vertrauen in sich selbst haben. Sie müssen Vertrauen in ihr Land haben. Und all das, was sie anpacken, müssen sie so gut wie möglich machen. Sie müssen stets nach Exzellenz streben." Sei es im Autobau. Oder in der Rückversicherung. Oder als Herausgeber eines Finanzmagazins.