Marchionne sucht dringend Käufer für Fiat Chrysler - nur will er das nicht offen sagen - manager-magazin.de, 30.04.2015
Eigentlich hat Fiat Chrysler-Chef Sergio Marchionne zur Zeit wenig Grund zum Ärger: Denn für den US-italienischen Autokonzern läuft es durchaus gut. Im ersten Quartal hat Fiat Chrysler Automobiles (FCA) ordentlich vom schwachen Euro profitiert. Obwohl der Konzern etwas weniger Neuwagen als vor einem Jahr verkaufte, stieg der Umsatz um fast ein Fünftel auf 26,4 Milliarden Euro. Unter dem Strich blieb so ein Gewinn von 92 Millionen Euro übrig, im Vorjahreszeitraum schrieb Fiat Chrysler noch einen Verlust von 173 Millionen Euro.
Dennoch ist Sergio Marchionne unzufrieden - natürlich nicht mit sich und seinem Konzern, obwohl dessen Profitmargen in den USA geringer sind als jene der Konkurrenz. Er keilt lieber gegen die gesamte Branche, der er gestern in einer Telefonkonferenz mit Analysten eine "wertezerstörende Abhängigkeit von Kapital" vorwarf.
Grund für Marchionnes Ärger ist der von ihm schon mehrfach angeprangerte angebliche Unwillen der Autobranche zu großen Unternehmenszusammenschlüssen. Gestern hat Marchionne verbal kräftig zugelangt, wie die Financial Times berichtet. In seiner Präsentation mit dem schönen Titel "Bekenntnisse eines Kapital-Junkies"brachte er auch gleich die IT-Unternehmen Apple und Google als mögliche Kapitalgeber ins Spiel.
"Wir haben als Branche kollektiv dabei versagt, Unternehmenswerte zu liefern, die im richtigen Verhältnis stehen zur Höhe des eingesetzten Kapitals", zog Marchionne vom Leder. "Konsolidierung ist die einzige Möglichkeit, um dieses Problem kurzfristig zu beseitigen".
"Vorteile sind zu groß, um sie zu ignorieren"
Schon seit Monaten macht Marchionne Stimmung für mehr Zusammenschlüsse in seiner Branche. Das passt ja auch zu seinem Ruf, ein Meister der Finanzdeals zu sein. Tatsächlich steht die Autobranche vor einigen Hürden: Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung werden weiter steigen, da Behörden weltweit die Richtlinien für Verbrauchswerte und Sicherheitsbestimmungen verschärfen. Die bessere Internet-Anbindung von Neuwagen und der Wettkampf um autonom fahrende Autos kommt die Branche ebenfalls teuer zu stehen.
Große Unternehmenszusammenschlüsse in der Autobranche würden dabei helfen, die Kosten besser zu schultern, argumentiert Marchionne schon seit Monaten. Sein Konzern könnte durch einen Zusammenschluss mit einem anderen Hersteller jährlich zwischen 2,5 und 4,5 Milliarden Euro sparen, rechnete Machionne nun vor. Konsolidierung habe "Ausführungsrisiken, aber die Vorteile sind zu groß, um sie zu ignorieren", legte sich der Automanager ins Zeug.
Analysten gehen mit Marchionnes Thesen hart ins Gericht
Dennoch: Die große Merger-Show nahmen ihm die Analysten nicht so recht ab. Politische, gewerkschaftliche und familiäre Hürden dafür seien weiterhin beachtlich, meinte Stuart Pearson von Exane BNP Paribas - und die Jahrhundertchance nach der Krise der Jahre 2008 und 2009 bereits vertan.
Härter formulierte es Max Warburton von Bernstein: Er bezeichnete das Merger-Werben des FCA-Chefs gegenüber der FT als "bizarren" Versuch, in der Autobranche "Tinder" zu spielen - in Anlehnung an eine bei jungen Erwachsenen beliebte Dating-App. Solle diese Präsentation nun "andere Auto-Manager oder -dynastien dazu verleiten, 'nach rechts zu wischen' und so die Balz zu starten?" fragte Warburton.
Marchionne betonte zwar, dass er FCA nicht verkaufen wolle, dass es dabei nicht um "Leben oder Tod" für das Unternehmen gehe oder dass es ein Versuch sei, seinen "letzten großen Deal" an Land zu ziehen. "In Wirklichkeit treffen natürlich all diese Dinge zu", formulierte es Warburton bissig.
Bevor der Finanzmagier Machionne seinen nächsten Deal durchziehen kann, muss er aber erstmal Ferrari an die Börse bringen. Im dritten Quartal soll es so weit sein. Doch für die kommenden Jahre fürchtet Marchionne wohl, dass mit dem Abflauen des Booms in den USA auf Fiat Chrysler die alten Probleme zurückkommen. Sollte er rechtzeitig einen weiteren Partner finden, stünde FCA beim nächsten Abschwung nicht wieder mit dem Rücken zur Wand - sondern bekäme frisches Kapital aus neuer Quelle. Ob er sich mit seiner lauten Branchenkritik nicht genau diesen Weg verbaut, werden die nächsten Monate zeigen.