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schneemann

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  • »schneemann« ist der Autor dieses Themas

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Samstag, 9. März 2013, 15:29

Wie Super-Sergio Fiat retten will

Wie Super-Sergio Fiat retten will - wiwo.de, 08.03.2013

Fiat-Chef Sergio Marchionne führt sein Geschäft mit Weitblick und rein nach betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten. Sentimentalitäten liegen ihm nicht, investiert wird nur dort, wo es sinnvoll ist. Erst bekam dies Lancia zu spüren, nun ist Fiat dran.

Der Genfer Salon ist nicht nur eine der weltgrößten Automobilmessen, ein exklusives Schaufenster für die neuesten Fahrzeuge und Technologien. Es ist nicht zuletzt auch ein Schauplatz der Eitelkeiten. An der Zahl der Größe der Standfläche, an der Standarchitektur und der Lautstärke, mit der die Besucher beschallt werden, können Besucher sehr gut ablesen, welcher Fahrzeughersteller gerade volle Taschen hat, mit der Krise kämpft - oder schon so gut wie tot ist.

An den beiden ersten Tagen, wenn die Vorstände der Unternehmen einfliegen, um der Fachpresse ihre neues Autos zu präsentieren und – sofern schon möglich – auch ihre Einschätzung der wirtschaftlichen Lage zu geben, zeigt sich zudem, mit welchen der Spitzenmanagern der Autoindustrie in den nächsten Jahren gerechnet werden muss – und welche ihren Zenit schon überschritten haben. Während beispielsweise Daimler-Chef Dieter Zetsche hauptsächlich damit beschäftigt war, der Welt zu erklären, dass die Verlängerungen des Vertrages durch den Aufsichtsrat um nur drei statt fünf Jahre kein Beinbruch war, strotzte VW-Chef Martin Winterkorn nur so vor Selbstbewusstsein und nutzte die Show unter anderem dazu, die Konkurrenz mit dem weltweit sparsamsten Hybridfahrzeug vorzuführen.

Doch der eigentliche Star von Genf war in diesem Jahr Fiat- und Chrysler-Chef Sergio Marchionne. Nicht nur, weil der mit dem Supersportwagen „Le Ferrari“ (963 PS stark, eine Million Euro teuer) ein Messe-Highlight zu präsentieren hatte, an dem auch VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch ernsthaftes (Kauf-) Interesse zeigte. Zur Ausnahmeerscheinung macht den 60-jährigen Italo-Kanadier längst nicht mehr nur sein graublauer Pullover, mit dem er wie üblich schon rein optisch aus der Masse der Anzug- und Krawattenträger hervorsticht. Seine Unkonventionalität machte Marchionne in Genf auch beim Pressegespräch deutlich, durch physische Präsenz, Gesten und Körperhaltung – aber noch mehr durch klare Worte und ehrliche Aussagen, die in dieser Branche eher selten sind.

Den Anwesenden dürften jedenfalls die Ohren geklungen haben, als er lässig mit einer Flasche Zitronenlimonade spielend ankündigte, die Kernmarke Fiat für eine Übergangszeit auf Kleinwagen zu reduzieren: „Der Panda und der 500 sind der Markenkern. Die Baureihen wollen wir ausbauen“ – aber in den Rest werde erst einmal nicht weiter investiert. Der Familien-Van Fairmont, ein umgebadgter Chrysler Voyager, sei noch frisch. Und auch für den Punto, immerhin schon seit 2005 auf dem Markt, und den Bravo, der in der aktuellen Form seit 2007 im Handel ist, gebe es vorerst keine Nachfolger. Frühestens 2015 sei damit zu rechnen: „Dann sehen wir klarer.“ Klarer vor allem über die Auswirkungen und die Dauer der Eurokrise, die Italien fest im Griff hat und die den Absatz von Fiat drückt: Im Februar setzte die Marke zwischen Meran und Marsala weniger als 31.000 Autos ab, rund 17 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Dass der Marktanteil aufgrund des schwachen Gesamtmarkts um 0,2 Punkte auf 28,48 Prozent stieg, kann da nicht wirklich trösten.

Marchionne reagiert auf diese Probleme als ein Manager, für den Italien – Heimatland hin oder her – nicht mehr ist als ein Fleck auf der Weltkarte. Fiat ist für ihn nur eine Marke von vielen, neben Abarth, Alfa Romeo, Lancia, Maserati und Ferrari, Chrysler, Jeep, Dodge und SRT. Das Problem ist eher: Wie nutzt man die Produktionskapazitäten, wenn die Fiat-Werke in Italien nicht ausgelastet sind? Seine Antwort: Indem man dort Autos anderer Marken baut. Zum Beispiel große Chrysler-Fahrzeuge. „Warum nicht?“

Chysler ist ohnehin ein Segen für den Fiat-Konzern. Marchionne gibt offen zu: „Ohne Chrysler gäbe es kein Wachstum“. Fiat hat sich 2009 bei dem US-Autobauer eingekauft, als das ehemalige Tochterunternehmen von Daimler und Wirkungsfeld des heutigen Daimler-Chefs Zetsche am Boden lag und insolvent war. Marchionne ergriff die Chance beim Schopf und nutzt die Technologien und Produkte des Unternehmens bar jeder Sentimentalitäten heute, um die Modellpalette von Lancia und Alfa zu niedrigen Kosten zu erweitern und zu modernisieren. Die Traditionalisten heulten zwar auf: die Lancia-Modelle Flavia, Voyager und Thema sind nur schlecht getarnte Chrysler-Fahrzeuge. Geschenkt. Dafür klingelt nun die Kasse. So gut, dass Marchionne daran denkt, den Anteil von 58,5 Prozent an Chrysler aufzustocken und den Autobauer bis zum Jahresende komplett zu übernehmen. „Wenn man sich über den Preis einigt, könnten beide Unternehmen bis zum Jahresende fusionieren.“

Marchionne ist ein knallharter Rechner, kein Car-Guy, der etwa für silikongedämpfte Haltegriffe zusätzliche Mittel freigeben würde. Im Gegenteil: In Genf kündigte er weitere Sparmaßnahmen in Europa an – „wo wir seit Jahren keine Gewinne mehr gemacht haben.“ Im abgelaufenen Jahr soll Fiat immerhin einen Verlust von 700 Millionen Euro eingefahren haben. In der gesamten europäischen Autoindustrie fielen nach seiner Schätzung 2012 Verluste von insgesamt sieben Milliarden Euro an: „Das kann nicht ewig so weiter gehen.“

Das Autogeschäft war ihm keineswegs in die Wiege gelegt. Marchionne hatte zunächst Philosophie studiert, anschließend einen MBA gemacht, dann auch noch Jura studiert. Erst mit 31 Jahren beendete er das Studium, erst mit 35 Jahren bestand er die Zulassungsprüfung zum Anwalt, bildete sich zeitgleich als Wirtschaftsprüfer weiter. „Mein Vater dachte, ich würde Taxifahrer. Das war technisch das Einzige, wozu ich fähig war“, sagte er einmal in einem seiner seltenen Interviews.

Heute profitiert er von seiner ungewöhnlich breit angelegten Ausbildung. Er ist Philosoph und Buchhalter in einem, Erbsenzähler, aber auch Kulturmensch, der mit der Philosophie eines Ludwig Wittgenstein vertraut ist, sich um die Zukunft von Euro und Europa sorgt („Viele unterschätzen die Komplexität des Problems“) und sich nicht scheut, die Verhältnisse in Italien nach den Wahlen zu beklagen: „Was für ein Albtraum.“ Mit Ex-Regierungschef Mario Monti versteht er sich gut. Eigentlich, denkt man sich, wäre Marchionne der richtige Mann, um Italien wieder auf Kurs zu bringen. Wäre das eine Aufgabe, die ihn reizen könnte? Die Frage wird in Genf nicht mehr gestellt: Die Zeit ist abgelaufen. Und die Flasche Limonade noch immer ungeöffnet.

Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »schneemann« (9. März 2013, 15:30)