Nur noch Chrysler hält Fiat auf der Straße - ftd.de, 26.04.2012
Bei den europäischen Autobauern brechen die Absatzzahlen ein. Fiat ist da keine Ausnahme - der Autobauer dürfte ein Schreckensjahr 2012 erleben. Nur die wachsende US-Tochter Chrysler verhindert einen Millionenverlust.
Für den italienischen Autobauer Fiat wird 2012 zum Schreckensjahr. Nach den Ergebnissen aus dem ersten Quartal, die Konzernchef Sergio Marchionne am Donnerstag präsentierte, droht Fiat ein bedrohlicher Einbruch in Europa. Im Vergleich zum Vorjahr ging der Absatz von Fiat hier um fast 20 Prozent zurück, einen Einbruch in gleicher Größe hatte am Vortag bereits der französische Rivale Peugeot melden müssen. Insgesamt verzeichnet der europäische Automarkt ein Minus von 7,3 Prozent.
Unter den Investoren schwindet nun offenbar auch die Hoffnung, dass sich Fiat - so wie der große Rivale Volkswagen - doch noch gegen den Trend stemmen könnte: Die Aktie brach am Donnerstag um weitere fünf Prozent ein. Seit Mitte März hat sie damit rund 25 Prozent an Wert verloren.
Mit dem Einbruch in Europa teilen die Italiener das Schicksal ihrer Konkurrenten Peugeot und Renault sowie Opel und Ford, deren Absätze ebenfalls einbrechen. Bereits im März hatte Marchionne die gesamte Branche dringlich zu "schmerzhaften Einschnitten" aufgefordert. Die Kapazitäten in den europäischen Werken liegen nach seinen Berechnungen rund 20 Prozent über der Nachfrage.
Ausgenommen von den Sorgen der Italiener und Franzosen bleibt lediglich der deutsche Marktführer Volkswagen. Gegen den Trend meldeten die Wolfsburger am Donnerstag für das erste Quartal einen Anstieg von Umsatz und Gewinn - und bauen vor allem dank ihrer Premiumtochter Audi ihren Vorsprung am europäischen Markt weiter aus.
Fiat, das einen wichtigen Teil seines Umsatzes in südeuropäischen Ländern wie Italien oder Spanien erzielt, ist stärker als andere Hersteller von der Euro-Krise betroffen. Um die Produktion zumindest teilweise an die schwache Nachfrage anpassen zu können, hatte Fiat bereits Ende 2011 ein Werk in Sizilien geschlossen. Bis auf Weiteres werden zudem keine neuen Investitionen in Europa mehr genehmigt, die Einführung neuer Modelle könnte aufgeschoben werden. Eine Erholung am europäischen Markt erwartet Marchionne nach eigenen Angaben frühestens im Laufe des nächsten Jahres.
Für Fiat erweist sich nun ausgerechnet die amerikanische Konzerntochter Chrysler als Retter in der Not. Dank Chrysler konnte Fiat in Turin für das erste Quartal, trotz der massiven Probleme in Europa, noch einen Nettogewinn von 379 Mio. Euro melden. Ohne den Zuschuss aus Amerika wären die Italiener in den vergangenen Monaten wohl in die roten Zahlen abgerutscht.
Mit dem amerikanischen Autobauer, der vor drei Jahren noch vor der Pleite stand und mit Milliardenhilfen aus Washington gerettet werden musste, hatte Marchionne nach dessen Insolvenz im Jahr 2009 zunächst eine Allianz geschlossen. Mittlerweile hält Fiat 58,5 Prozent der Anteile - und profitiert nun von der beachtlichen Erholung des drittgrößten amerikanischen Autobauers.
Mit der Stammmarke Chrysler sowie mit Dodge und Jeep konnte der Hersteller seinen Absatz im ersten Quartal um 33 Prozent steigern und seinen Marktanteil in den USA von 9,3 auf 11,3 Prozent erhöhen, und damit den Einbruch aus den Jahren 2008 und 2009 ausgeglichen. Einen weiteren Sprung nach oben kündigte Marchionne am Donnerstag für das kommende Jahr an, wenn Chrysler mit zahlreichen neuen Modellen auf den Markt kommt.
Das Konzept Marchionnes, neue Modelle von Fiat und Chrysler gemeinsam entwickeln zu lassen und sie dann, weitgehend baugleich, unter verschiedenen Marken in Europa und in Amerika zu verkaufen, scheint aufzugehen. Große Hoffnungen setzt der 59-Jährige nun in den neuen Dodge Dart, der in den kommenden Wochen in den USA auf den Markt kommen soll. Er basiert auf dem Alfa Giulietta.
Im Gegensatz zu den amerikanischen Schwestermarken kann der kleine Fiat 500 in den USA kaum von der wachsenden Nachfrage nach neuen Autos profitieren. Landesweit verkauft Fiat gerade mal zehn Autos pro Tag.