Fiat konzentriert sich aufs Kerngeschäft mit Autos - wiwo.de, 21.04.2010
Der Fiat-Konzern wird umgekrempelt - und spaltet seine Autosparte von dem Landmaschinenhersteller CNH und der Lastwagenproduzenten Iveco ab. Der italienische Traditionskonzern will das Geschäft jenseits des Autos an die Börse bringen. Und das ist noch nicht alles, was Fiat-Chef Sergio Marchionne vorhat.
HB DÜSSELDORF Die Bombe ließ der Fiat-Vorstandsvorsitzende Sergio Marchionne nach fast fünf Stunden Vorträgen auf dem Investorentag in Turin platzen: Der italienische Traditionskonzern will sich in die Automobilsparte "Fiat" und "Fiat Industrial" aufspalten. Damit trennt das Unternehmen das Autogeschäft von dem Lkw-Tochter Iveco und der Land- und Baumaschinentochter CNH sowie die Industrial Marine Activities der Motorentochter Fiat Power Train Technologies. Das industrielle Geschäft soll an die Börse gebracht werden.
"Das Konzept des Konglomerats ist nicht mehr zeitgemäß", begründete Marchionne die Entscheidung. Die beiden Geschäfte seien zu unterschiedlich. "Bisher war ein Spin-Off undenkbar", sagte er. Das Unternehmen habe die gesamte Energie gebraucht um durch die Krise zu kommen. "Jetzt gibt es keinen Grund mehr", sagte Marchionne und gab auch einen Zeitrahmen: "Sobald der Verwaltungsrat das Projekt abgesegnet hat, brauchen wir sechs Monate".
Fiat bestätigte damit seit langer Zeit anhaltende Spekulationen über eine mögliche Aufspaltung des Konzerns. Anders als die meisten Beobachter erwartet hatten, wird der Konzern jedoch das industrielle Geschäft an die Börse bringen und nicht umgekehrt die Autosparte. Investoren drängen bereits seit Jahren auf einen Spin-Off der Autosparte, um das Potential an der Börse besser auszuschöpfen und um potentielle Allianzen mit anderen Autokonzernen zu erleichtern. Nach Berechnungen von David Arnold, Auto-Analyst von Credit Suisse, liegt der Börsenwert von Fiat heute 20 Prozent unter dem, was das Unternehmen am markt wert wäre, wenn es getrennt notiert wäre. Während Arnold für die Fiat-Aktie derzeit ein Preisziel von 11,50 Euro für das kommende Jahr hat, sieht er mit der Abspaltung ein Potenzial von 13,90 Euro.
Eine Trennung des Autogeschäft vom Rest des Konzerns könnte theoretisch auch eine komplette Fusion mit Chrysler erleichtern. Schließlich hat der italienische Traditionskonzern im vergangenen Jahr den angeschlagenen US-Hersteller Chrysler vor dem Bankrott gerettet und 20 Prozent der Aktien und die Unternehmensführung übernommen. Nach dem neuen Strategieplan soll Fiat Auto gemeinsam mit Chrysler bis 2014 weltweit 51 neue Modelle auf den Markt bringen insgesamt sechs Millionen PKWs und Kleinlaster verkaufen.
Außer den Nachrichten zur Aufteilung des Konzerns wurde gestern auch der neue Fünf-Jahresplan 2010 - 2014 von den Investoren mit Spannung erwartet. Zum ersten Mal gibt Fiat nun konkrete Ziele für die gemeinsame Zukunft bekannt.
Dabei interessiert nun vor allem die Autosparte: Der Umsatz der Autosparte soll 2014 nach den Plänen 51 Mrd. Euro betragen, mehr als der Fiat-Konzern im vergangenen Jahr gemeinsam mit der LKW-Tochter Iveco und der Land- und Baumaschinentochter CNH umgesetzt hat und fast doppelt soviel wie die Autosparte im vergangenen Jahr umgesetzt hat. Vor allem die Chrysler-Marke Jeep soll in Zukunft eine globale Marke werden. Bei der eher klobigen Marke Dodge will Marchionne dagegen "die US-Identität beibehalten".
Zum Auftakt der Großveranstaltung stellte Marchionne einen neuen Partner an der Spitze des Verwaltungsrats vor: Der 34-jährige John Elkann, ein Sprössling der Industriellenfamilie Agnelli, rückt vom Stellvertreter-Posten auf und übernimmt die Aufgaben des langjährigen Präsidenten Luca Cordero di Montezemolo. "Trotz seines Alters hat er nun die richtige Reife erreicht, diese Rolle auszufüllen", sagte Marchionne. "Er und ich haben den Konzern die vergangenen sechs Jahre durch einige Haifisch-Gewässer gesteuert."
Fiat besteht aus mehreren Geschäftsbereichen. Dazu zählen Autos, Agrar- und Baumaschinen und Produktionssysteme. Die Autosparte macht knapp die Hälfte des Umsatzes aus. Zu ihr gehören neben der nach dem Konzern benannten Automarke auch die Hersteller Lancia und Alfa Romeo. Zudem besitzt der Konzern die Mehrheit an Ferrari und Maserati.
Fiat kann der Konkursvereinbarung mit der US-Regierung zufolge seinen Anteil an Chrysler auf 35 von 20 Prozent erhöhen, wenn das neue Management bestimmte Geschäftsziele erreicht. In diesem Moment halten viele Experten eine Fusion der beiden Autogeschäfte für sinnvoll. Marchionne hat wiederholt signalisiert, dass es aus seiner Sicht in der Autobranche nicht weitergehen kann wie bisher. Er geht davon aus, dass nur wenige große Massenhersteller die Krise überleben.
Sparzwang und hohe Investitionskosten treiben die Autobauer immer häufiger in Partnerschaften, zuletzt auch den Stuttgarter Autobauer Daimler mit dem französischen Hersteller Renault und dessen japanischen Kompagnon Nissan . Als nächster Kandidat gilt für eine Allianz gilt PSA Peugeot Citroen, der bereits einmal die Fühler zu Fiat ausgestreckt hat. Seit Fiats Zusammengehen mit Chrysler ist der Gesprächsfaden aber abgerissen.
Unterm Strich gelang es Fiat zum Jahresstart, seinen Verlust zu verringern. Netto wies die Gruppe ein Minus von rund 20 Millionen Euro nach 410 Millionen im Vorjahr aus. Fiat geht davon aus, das Gesamtjahr netto an der Grenze zur Gewinnschwelle abzuschließen. Der Umsatz stieg in den ersten drei Monaten um 14,7 Prozent auf knapp 13 Milliarden Euro. Für das Gesamtjahr rechnet Fiat mit einem Handelsgewinn zwischen 1,1 und 1,2 Milliarden Euro und einem Umsatz von mehr als 50 Milliarden Euro. Die Fiat-Aktie verlor in Mailand gut ein Prozent. Chrysler hat seit dem Ende seines Insolvenzverfahrens einen Verlust von 3,8 Milliarden Dollar verbucht.
Der drittgrößte US-Autobauer sieht sich dennoch auf Kurs: Chrysler werde noch 2010 die Gewinnschwelle auf operativer Basis knacken, hieß es. Es war das erste Mal seit seinem Umbau unter Gläubigerschutz, dass der Autobauer ausführlich Bericht erstattete.