CarsFromItaly.info

Lancia Delta Turbo - Kabinett der Kuriositäten - spiegel.de, 17.11.2009

Der Lancia Delta ist ein schickes Auto. Es fährt sich ordentlich und ist vollgestopft mit moderner Technik. Letztere soll das Fahren sicherer und vor allem komfortabler machen. Doch besonders ein Ausstattungsmerkmal sorgte bei der SPIEGEL-ONLINE-Testfahrt für Verzweiflung.

Autokonzerne reanimieren gerne alte, legendäre Modelle. Auch Lancia schickte 2008 nach fast zehn Jahren Pause einen neuen Delta auf die Straße. Weil ein Auto heute mehr Sicherheitsvorschriften erfüllen muss, wirkt der neue Delta deutlich wuchtiger als die vor 30 Jahren vorgestellte erste Serie.



Trotzdem gibt es Gemeinsamkeiten. Das aktuelle Modell fällt ebenso wie die legendäre ersten Generation (1979 bis 1992) durch das unverwechselbare Design auf. Aus nahezu jedem Blickwinkel entdeckt man markante Details: Die sichelförmigen LED-Heckleuchten, die sich kreuzende Linienführung an den Flanken, und die futuristische Gestaltung der Schürze am Fahrzeugbug.



Der Kult-Charakter des von Giorgio Giugiaro gestalteten Lancia Delta der ersten Generation fußt nicht nur auf der extravaganten Optik, sondern auch auf seiner sportlichen Geschichte. Mit dem Modell sicherten sich die Italiener insgesamt acht Titel in der Rallye-Weltmeisterschaft. Besonders die in der Gruppe B genannten Klasse eingesetzte Variante Delta S4 war ein Geschoss. Der Motor entwickelte mit Kompressor und Turbolader eine Leistung von brutalen 480 PS. Das Monster beschleunigt in knappen drei Sekunden von 0 auf 100 km/h.

Flottes Aggregat mit großem Durst

Einen Hauch von Sportlichkeit gibt es auch im neuen Delta mit 1,8-Liter-Turbomotor. Der Reihenvierzylinder entwickelt eine Leistung 200 PS. Beschleunigt man aus dem Stand, ist das absolut ausreichend - in 7,4 Sekunden ist die 100-km/h-Marke geknackt. Ab etwa 140 Kilometer in der Stunde wird's spürbar zäher - von Sportlichkeit kann dann keine Rede mehr sein. Aber sind wir ehrlich: Solche Sprintfähigkeiten und vor allem die Höchstgeschwindigkeit von 230 Sachen sind mehr als genug. Eine angenehme Reisegeschwindigkeit ist bei etwa 170 km/h erreicht. Nur zum Vergleich: Als der Delta S4 1985 auf den Markt kam, waren viele Autofahrer froh, wenn sie die 120-km/h-Grenzen überschreiten konnten.



Bescheiden ist das Aggregat allerdings nicht. Die vom Hersteller angegebenen 7,8 Liter Sprit reichen selbst auf der Autobahn nicht für 100 Kilometer. Stattdessen gurgelten bei der SPIEGEL-ONLINE-Testfahrt fast zwölf Liter durch die Zylinder.

Die Grunddisziplin eines Autos - das Fahren - beherrscht die reanimierte Ikone tadellos. Der Lancia Delta kann noch viel mehr - manches davon ist jedoch eher wunderlich. Über eine Taste neben dem Knauf für das Automatikgetriebe zum Beispiel lässt sich die Schalt- und Motorencharakteristik beeinflussen. Auf dem Schalter stehen untereinander die Wörter Sport und Winter. Das erste Programm dreht den Motor weiter aus, das zweite sorgt dafür, dass bei glatten Straßen im zweiten Gang angefahren und der Schlupf minimiert wird. Allerdings ist nicht sofort ersichtlich, in welchem Modus man sich gerade befindet.



Während solche Programme recht verbreitet sind, ist ein halbautomatischer Parkassistent noch relativ selten. Lancia verlangt dafür einen Aufschlag von 500 Euro - die kann man sich sparen. Das System erkennt eine passende Parklücke parallel zur Fahrbahn - das ist praktisch - und führt die Lenkeinschläge automatisch aus. Der Pilot muss dann nur noch sanft Gasgeben und Bremsen, Passanten quittieren den Einsatz mit erstaunten Mienen. Die Frage ist jedoch: Sollten Menschen ein Auto mit 200 PS fahren dürfen, wenn es Zweifel gibt, ob sie ihr Gefährt einparken können?

Welche Farbe hat Multimedia?

Mag man den Parkassistenten lediglich überflüssig finden, kann das Blue&Me genannte Multimedia-System die Insassen zur Verzweiflung treiben. Am USB-Anschluss in der Mittelkonsole soll man verschiedene externe Musikquellen wie zum Beispiel einen iPod anschließen können. Bei der SPIEGEL-ONLINE-Testfahrt klappte das jedoch nicht. Zwar wurde das Gerät mit Strom versorgt, die Musik ließ sich aber nicht abspielen.

Blue&Me kann Musik auch von einem USB-Stick wiedergeben. Der wurde für die Testfahrt nach Frankfurt am Main vorbereitet, und die ersten beiden Titel sorgten im Hamburger Morgengrauen für angenehme Stimmung. Danach war Schluss. Hilflosigkeit gipfelte in Verzweiflung - und die 98 Seiten starke Bedienungsanleitung für das Infotainment-Paket musste her.

Blue&Me steht nicht auf Apple

Darin wird umständlich erklärt, dass sich das System per Sprachbefehl steuern lassen soll, in diesem Fall war das jedoch nicht möglich - das System war abgestürzt. Nur durch Ausschalten, Abziehen des USB-Sticks und erneutes Starten konnte es wieder aktiviert werden. Dieses Problem trat immer bei Titeln auf, die nicht im MP3, sondern im MP4-Format vorlagen.



Nach intensiverem Studium der Bedienungsanleitung wurde dann auch klar, weshalb der iPod keinen Ton von sich gab: Blue&Me basiert auf dem Betriebssystem Windows Mobile, unser iPod wurde aber an einem Apple-Rechner formatiert. Solche Geräte erkennt Blue&Me nicht - sie müssen an einem Windows-Computer eingerichtet worden sein.

Das Problem ist Lancia bekannt. "Wir arbeiten an einer kurzfristigen Lösung", sagte ein Sprecher des Herstellers. Das wäre wünschenswert, denn dann würde aus dem Kabinett der Kuriositäten vielleicht ein richtig tolles Auto.