Fiat greift bei Chrysler hart durch - ftd.de, 06.10.2009
Die Italiener stoßen bei ihrer neuen Tochter auf einen Berg von Problemen. Die Sanierung des maroden US-Herstellers dürfte schwieriger werden als gedacht, wenn sie überhaupt gelingt. Nun beginnt Chef Marchionne mit den Aufräumarbeiten - und krempelt Führung sowie Markenstruktur um.
Fiat -Chef Sergio Marchionne räumt beim drittgrößten amerikanischen Autobauer auf. Als erster Schritt wird die Marke Dodge aufgeteilt - in eine Pkw-Sparte (Dodge Car) und ein Pickup-Segment (Dodge Ram), teilte Chrysler mit. Marchionne wolle damit den einzigartigen Charakter der Fahrzeuge schützen und weiterentwickeln. Auch die Führungsstruktur soll umgebaut werden.
Fiat hatte sich im Juni mit 20 Prozent an dem US-Autobauer beteiligt und kann sich langfristig die Mehrheit sichern. Im Tausch gegen die Aktienpakete stellt Fiat den Amerikanern seine Kleinwagen-Technologie zur Verfügung. Marchionne rückte im Zuge des Einstiegs auch an die Chrysler-Spitze. Der US-Fahrzeughersteller leidet ebenso wie General Motors besonders stark unter der Wirtschaftskrise.
Den Italienern, die vor vier Monate eigestiegen waren, dämmerte zuletzt, in welch desolatem Zustand das Unternehmen ist. "Wir waren überrascht, wie wenig in den vergangenen 24 Monaten gemacht wurde", sagte Marchionne jüngst. Auf einen "Berg voller Überraschungen" sei er gestoßen.
Fiat wechselt nun erneut das Führungsbersonal bei Chrysler und Dodge aus. Fred Diaz, bisher Leiter des Denver Business Center, soll künftig die Marke Dodge Ram leiten. Zum Chef der Car-Sparte wurde Ralph Gilles berufen, der weiterhin die Abteilung Produktdesign bei der Chrysler Group führen soll. Für Jeep bleibt Michael Manley zuständig.
Als künftigen Präsidenten und CEO der Marke Chrysler holte Marchionne den Chef der Fiat-Tochter Lancia, Olivier Francois, an Bord. Er soll zudem die Führung bei Lancia behalten. Darüber hinaus wird der Manager das weltweite Marketing für sämtliche Fiat- und Chrysler-Modelle verantworten.
Mit den Neubesetzungen ist das Ende der Personalnot noch nicht erreicht. Vergangene Woche teilte Chrysler mit, dass Herstellungschef Frank Ewasyshyn aus medizinischen Gründen freigestellt wird. Zusätzlich dürfte Chryslers Vizechef Jim Press in den nächsten ein, zwei Monaten zurücktreten. Press war der einzige Manager aus der Führungstroika, der nach der Übernahme durch Fiat an Bord geblieben war. Im mittleren Management sieht die Lage nicht rosiger aus. In den vergangenen zwei Jahren haben in der Herstellung und beim Einkauf Hunderte Manager das Unternehmen verlassen.
Obwohl der Hersteller staatliche Hilfe in Milliardenhöhe aus Washington und Ottawa erhalten hat, bezweifeln einige Analysten die Überlebensfähigkeit Chryslers. Im September blieben die Absatzzahlen in den USA 42 Prozent hinter dem Vorjahresergebnis zurück. Damit lag Chrysler weit hinter Honda und nur noch 7000 Fahrzeuge vor Nissan.
Wie stark das Unternehmen vom Erfolg des Pickups Dodge Ram und der Geländewagen abhängig ist, belegt der Fakt, dass Pkw nur ein Viertel der verkauften Fahrzeuge ausmachen. Dies ist eine der Hauptaufgaben Fiats in dem Bemühen, das Unternehmen wieder rentabel zu machen.
Bislang hat Marchionne noch keinen umfassenden Sanierungsplan vorgelegt. Zuletzt versprach er ein Konzept bis Ende November. Dass dies aufgehen wird, gilt in der Branche als äußerst unwahrscheinlich. Auch andere sind daran schon gescheitert: der deutsche Autobauer Daimler ebenso wie der amerikanische Finanzinvestor Cerberus. Und alles, was Marchionne braucht, um Chrysler zu sanieren, fehlt: Investitionskapital, moderne Modelle - und vor allem Zeit.