Fiat und Chrysler wollen gemeinsam die Welt erobern von Florian Brückner - handelsblatt.com, 20.01.2009
Die italienisch-amerikanische Autoallianz kommt. Fiat will beim US-Autobauer Chrysler mit 35 Prozent einsteigen. Beide wollen im Verbund mit Chrysler-Eigner Cerberus eine weltweite Allianz eingehen. Für Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer ein richtiger Schritt, der beiden Konzernen nutzt, wie er Handelsblatt.com sagte.
HB TURIN/MAILAND. Nach der längst verblassten Traumhochzeit mit dem deutschen Autobauer Daimler geht Chrysler eine neue Liaison ein, und zwar mit dem italienischen Autokonzern Fiat. Wie Chrysler mitteilte, wollen beide Hersteller eine weltweite Allianz miteinander eingehen. Eine entsprechende Vereinbarung sei am Sitz in Auburn Hills im US-Bundesstaat Michigan unterzeichnet worden, so Chrysler. Die Abmachung sei allerdings vorläufig und nicht bindend. Fiat soll sich laut Agenturberichten an Chrysler mit 35 Prozent beteiligen.
Für den Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer, Professor an der Universität Duisburg-Essen, gehen Fiat und Chrysler trotz des verblassten Daimler-Desasters einen richtigen Weg. "Fiat bekommt über das Händlernetz von Chrysler den Zugang zum wichtigen amerikanischen Markt für einen Apfel und ein Ei." Und auf dem müsse der italienische Autobauer langfristig unbedingt vertreten sein. Auch der amerikanische Autobauer Chrysler profitiere von einer engen Zusammenarbeit.
"Chrysler braucht dringend Kleinwagen, und die hat Fiat im Angebot", sagt Dudenhöffer. Für Fiat wiederum böte sich nun die Gelegenheit, die eigenen Kleinwagen wie etwa den Panda in den USA erfolgreich zu vermarkten. Fiat-Chef Marchionne habe eine richtige unternehmerische Entscheidung getroffen. "Chrysler und Fiat, das passt hundertmal besser als GM und Fiat", sagt Dudenhöffer mit Blick auf die gescheiterte Partnerschaft zwischen der Opel-Mutter General Motors und dem italienischen Autobauer.
Mit den jetzt offiziell bekannt gewordenen Plänen dürfte die Luft aus schwelenden Gerüchteküche in Turin erst einmal raus sein. Diese hatte bereits am Morgen, nach meheren Medienberichten, dazu geführt, dass die Aktie des italienischen Autobauers an der Mailänder Börse vom Handel ausgesetzt worden war. Dieser Schritt war "in Erwartung einer Mitteilung" erfolgt, wie es geheißen hatte. Das "Wall Street Journal" hatte zuvor im Internet unter Hinweis auf Insider berichtet, der Turiner Autokonzern wolle in einem ersten Schritt bis Mitte des Jahres 35 Prozent von Chrysler übernehmen und die Beteiligung dann später möglicherweise auf 55 Prozent ausbauen.
Chrysler-Sprecherin Lori McTavish hatte dazu nur gesagt, unter den derzeitigen wirtschaftlichen Bedingungen gebe es Gespräche zwischen den Firmen aller Industriebereiche - "unsere ist da keine Ausnahme." Chrysler nehme aber nicht zu vertraulichen Gesprächen Stellung. p>
Es wäre nicht der erste Versuch von Fiat, auf den US-Markt mit fremder Hilfe vorzudringen. Ähnliche Hoffnungen verbanden die Turiner auch mit General Motors. GM und Fiat waren im Jahre 2000 eine umfangreiche Partnerschaft eingegangen - die fünf Jahre später in die Brüche gegangen war. GM hatte damals zehn Prozent des Fiat-Kapitals gehalten und sich seinerzeit auch noch mit einer Put-Option verpflichtet, die übrigen 90 Prozent zu übernehmen, wenn die Turiner es verlangen sollten. Ein Fehler für GM, wie sich später noch zeigen sollte. Um aus der Kooperation mit dem damals stark angeschlagenen Fiat-Konzerns wieder herauszukommen, musste GM Fiat einen Scheck über 1,55 Milliarden Euro ausstellen.
Die Liaison war in die Brüche gegangen, nachdem GM den Italienern Vertragsbruch vorgeworfen hatte, weil diese 2003 unter anderem eine Kapitalerhöhung durchgezogen hatten. Eine wesentlich größere Rolle dürfte aber die zeitgleiche Absatzkrise gewesen sein, in die Fiat gefahren war, während GM mit eigentlich schon mit der Sanierung von Opel genug zu tun hatte.
Noch offen beim möglichen Deal mit Chrysler, so die Zeitung "La Repubblica" ist aber die Frage, wie es nun mit Peugeot weitergeht. Zwischen Fiat und dem französischen Hersteller gebe es gleichfalls Gespräche über eine Fusion.
Beide Hersteller leiden gegenwärtig stark unter der Talfahrt am Automarkt und der Konjunkturkrise. Fiat-Chef Sergio Marchionne hatte unlängst erklärt, er stehe vor dem schwierigsten Jahr seines Lebens, es würden wohl nur sechs Autokonzerne die Krise überstehen können.
An der Börse sorgt die Fiat-Chrysler-Meldung für Furore. Autowerte profitieren von neu aufkeimenden Konsolidierungsfantasien. "Es gibt zum einen die Spekulationen um ein Zusammengehen von Chrysler und Fiat, von denen zunächst einmal Daimler profitiert", sagte ein Händler. Anleger spekulierten darauf, dass die Stuttgarter bei einem solchen Zusammengehen ihren Chrysler-Anteil endlich los werden könnten.
Der deutsche Autohersteller will seine den restlichen Anteile an der einstigen US-Tochter weiterhin abstoßen. An diesem Ziel habe sich nichts geändert, sagte eine Sprecherin des Stuttgarter Konzerns. Daimler hält noch 19,9 Prozent an dem schwer angeschlagenen US-Automobilhersteller. Der US-Investor Cerberus Capital Management LP hatte 2007 80,1 Prozent an Chrysler von den Deutschen gekauft. Zuletzt hatte es mit dem Mehrheitseigner jedoch Streit um den Verkauf der restlichen Anteile gegeben.
Daimler-Aktien stiegen um 2,5 Prozent auf 23,85 Euro. "Aber man hat auch insgesamt inzwischen den Eindruck, dass Bewegung in den Autosektor kommt", sagte ein anderer Händler. "Seien es Übernahmen, Neuentwicklungen oder was auch immer, irgendwie müssen sie ja auf die Krise reagieren."erholen sich stärker als die Papiere aus anderen Branchen. Experten bewerten die jetzt offenbar kurz vor Abschluss stehenden Gespräche als Auftakt für ein mögliches Konsolidierungsjahr in der Autoindustrie - wobei vor allem jeder Zusammenschluss die großen Überkapazitäten reduzieren dürfte, die die Autohersteller vor sich herschieben.
Kommentar
Chrysler sollte dankbar sein von John Foley und Rachel Sanderson - handelsblatt.com, 20.01.2009
Fiat ist eine Methode zur Wiederbelebung von Chrysler eingefallen. Der italienische Autobauer wird 35 Prozent am klammen US-Rivalen übernehmen. Die Währung: nicht Bargeld oder Aktien, sondern technisches Know-how.
Damit erfüllt sich für die Agnelli-Familie, den größten Fiat-Anteilseigner, der Traum von der Einführung der Fiat-Kleinwagen in den US-Markt. Chrysler dagegen kann zumindest Teile seines Apparats am Leben halten.
Chrysler sollte für jede Hilfe dankbar sein. Seine Chancen, alleine zu überleben, tendieren gegen Null. Das Unternehmen leidet unter immensen Schulden, einer ungesunden Fixierung auf den stockenden Inlandsmarkt und dem Fehlen von Kleinwagen im Sortiment. Der Absatz von Neuwagen fiel im letzten Jahr um 30 Prozent. Chrysler machte allein in der zweiten Jahreshälfte 6,5 Mrd. Dollar Verluste; da ist der vier-Milliarden-Kredit der US-Regierung reine Makulatur.
Fiat will sich die Chrysler-Werke und-Händler greifen, sie modernisieren und anschließend gemeinsam neue Modelle entwickeln. Damit erhält man zur Freude der US-Regierung Fabriken und Arbeitsplätze, die finale Rettung ist dennoch unsicher. Schließlich interessieren sich die Kunden zwar für Abgaswerte, derzeit brennt jedoch die Frage unter den Nägeln, ob man sich überhaupt ein neues Auto leisten kann.
Die Fusion ist auch kein Patentrezept für Fiat. Schließlich strebt Boss Sergio Marchionne eine Jahresproduktion von sechs Millionen Autos an; Chrysler stockt die zwei Millionen Fiats gerade einmal um 1,5 Millionen Exemplare auf. Das ist allenfalls ein guter Start, könnte dem Duo jedoch Vorteile bei der Verhandlung über zukünftig anstehende Joint Ventures sichern.
Kommen wir zur Privat Equity Firma Cerberus, der 80 Prozent an Chrysler gehören. Einmal angenommen, Fiats Anteil am Gemeinschaftsunternehmen erginge in Aktien. Dann fiele der Cerberus-Anteil auf nur 50 Prozent und schließlich auf ein Drittel, falls Fiat seine Optionen nützt. Damit sieht es für die Gewinne von Cerberus düster aus. Falls Chrysler dennoch Totalschaden erleidet, ist Cerberus zumindest nicht alleine hinterm Steuer eingeklemmt.