BMW M5 - Maserati Quattroporte: Urbayer gegen Edel-Italiener ftd.de, 23.11.06
Echte Sportwagen mit vier nutzbaren Sitzplätzen sind rar gesät. BMW und Maserati haben den Spagat gewagt. Herausgekommen sind zwei völlig unterschiedliche Fahrzeuge. Gemeinsam haben sie nur eines: Leistung im Überfluss.
Mit einer Limousine kann man kaum für Aufsehen sorgen. BMW M5 und Maserati Quattroporte sind seltene Ausnahmen. Der Bayer ist einer der stärksten, der Quattroporte wohl der schönste Sportwagen mit einer real nutzbaren zweiten Passagierreihe.
Während man mit dem Norditaliener im öffentlichen Straßenverkehr schon einmal Applaus auf offener Szene erwartet kann, steht der M5 für kraftvolles Understatement. Der M5 sieht kaum anders aus als ein BMW 520d mit Magerausstattung.
Es sind die kleinen Details, die die 507 PS unter der Haube erkennen lassen. Da sind die tief herunter gezogene Frontschürze, in der unverständlicherweise die Nebelleuchten fehlen. Wer genau hinschaut, erkennt die leicht ausgestellten Kotflügel und die stilistisch zielsicher eingebrachten Lüftungskiemen hinter den vorderen Radhäusern. Am Heck glänzt neben dem oftmals fehlenden M5-Schriftzug nur die vierflutige Auspuffanlage. Doch ganz ehrlich: nach über 500 PS und zehn wild trampelnden Zylindern unter der Motorhaube sieht der Sportbayer nun wirklich nicht aus.
Der Maserati hat es einfacher. Er wurde nicht von einem bekannten Volumenmodell abgeleitet, sondern ist gerade optisch ein grandioser Sportwagen, der ungewöhnlicherweise eben zwei Türen extra hat. Eher wenig Mühe hat sich Maserati bei der Namensgebung gegeben. Der Viertürer heißt etwas profan Viertürer ("Quattroporte").
Der Italiener präsentiert sich zweigeteilt. Die Front mit dem verchromten Kühlergrill, der von zu kleinen Xenonscheinwerfern eingefasst wird, wirkt geradezu zierlich und feminin. Die überlange Motorhaube, der lange Radstand und besonders das kraftvolle Hinterteil präsentieren sich dagegen deutlich maskuliner. Doch von allen Seiten ist der Italo-Beau ein Hingucker.
Unterschiede im Handling
Beide Konkurrenten bieten Frontmotor, Heckantrieb und Leistung im Überfluss. Das V8-Aggregat des Maserati liegt weiter hinten und das Getriebe arbeitet an der Hinterachse. Das wirkt sich gut aufs Handling aus und schlecht auf den Innenraum. Der BMW zeigt, dass die tradierte Bauweise keinerlei Nachteile mit sich bringt.
Sowohl der BMW als auch der Maserati definieren sich insbesondere über ihre Triebwerke. Auch hier gewinnt der Quattroporte die Optikwertung um Längen, beim Thema Leistungspotenzial muss er jedoch zurückstecken.
Der V8-Saugmotor mit 4,2 Litern Hubraum ist bis zum neuen Coupé das Maserati-Universalaggregat, leistet 294 kW/400 PS und 451 Nm Drehmoment. Die Fahrleistungen präsentieren sich entsprechend eindrucksvoll. Trotz zwei Tonnen Lebengewicht schafft die Limousine mit dem Dreizack den Spurt auf Tempo 100 in 5,2 Sekunden. Die maximale Geschwindigkeit liegt bei 275 km/h. Mehr Leistung als die anderen Quattroporte-Versionen hat der Sport GT übrigens nicht. Neben der leicht geänderten Optik sorgt ein geänderter Mittelschalldämpfer vor allem bei hohen Drehzahlen für einen noch druckvolleren Sound.
Formel 1-Anleihen bei BMW
An dem Triebwerk selbst hat sich seit Marktstart nichts getan. Statt einer Leistungsspritze wurde zuletzt am Abgasverhalten und Verbrauch gearbeitet. Euro4 und ein versprochener Durchschnittsverbrauch von knapp 16 Litern auf 100 Kilometer sind bei einem Motorsporttriebwerk in Kleinserie kein Pappenstiel. Lorbeeren verdient man sich als Sportwagenhersteller mit Umweltfreundlichkeit jedoch nicht - leider.
Auch das M5-Triebwerk entstammt einer Kleinserie. BMW wird nicht müde zu betonen, dass der Hightech-Zehnzylinder zahlreiche Anleihen aus dem F1-Team in sich trägt. Das optisch allzu unspektakuläre Herz ist fraglos eines der sportlichsten Aggregate, die abseits der Rennstrecken derzeit zu bekommen sind. Fünf Liter Hubraum, 507 PS und ein Hochdrehzahlkonzept, das einem immer wieder das Blut in den Adern pochen lässt. BMW hat die Höchstgeschwindigkeit auf 250 km/h begrenzt. Erst gegen Aufpreis lässt man die Zügel bis Tempo 305 frei. Nicht wenige lassen ihre 5er beim Tuner freimachen - –dann sind rund 320 vernunftferne km/h drin.
Getriebeprobleme bei beiden Kandidaten
Den besseren ersten Fahreindruck kann der Maserati für sich verbuchen. Er hängt bissig am Gas, das sequentielle Getriebe wurde zuletzt überarbeitet und soll nun 35 Prozent schneller arbeiten. Wer stakkato unterwegs ist, gibt Gas und lässt die Paddel lässig schnacken. Etwas ruppig für eine Luxuslimousine, aber allemal schnell. Ohne Sporttaste, bei langsamem Tempo oder gar im Automatikmodus ändert sich das Bild. Dann wünscht man sich Dank allzu träger Zugkraftunterbrechungen eine bessere Schaltung herbei. Maserati hat das Flehen der Kunden erhöht und bietet diese ab Anfang kommenden Jahres an.
Doch auch das sequentielle Getriebe des M5 ist im normalen Galopp alles andere als eine Bestbesetzung. Traurig denkt man zurück an den alten M5, der mit 400 PS und einer grandiosen Sechsgang-Handschaltung viel Spaß machte. Mit niedrigen Drehzahlen sollte man den Bayern nicht bewegen. Dass er über 100 PS mehr hat als der Quattroporte fällt zunächst nicht weiter auf -– der Nachschlag wird erst auf Knopfdruck serviert. Im Normalbetrieb ist der M5 ebenfalls mit 400 PS unterwegs. Dass das reichen sollte glaubt man nur so lange, bis man die unscheinbare M-Taste am Steuer gedrückt hat. Der Unterschied ist mächtig und Schub scheint keine Grenzen zu kennen. Von Tempo 160 bis 240 vergeht nur ein Wimpernschlag. So schön und kraftvoll das Maserati-Triebwerk auch ist, der Italiener hat motorenseitig keine Chance gegen den M5.
Maserati verschenkt Punkte beim Sitzkomfort
Beim Fahrverhalten bieten beide Konkurrenten echtes Sportwagenflair. Die Feder-Dämpfer-Abstimmung ist bei Maserati und BMW gleichermaßen straff, aber alles andere als ruppig. Der Maserati wirkt eine Spur knackiger und kompromissloser, der BMW etwas massentauglicher. Einlenk- und Bremsverhalten sind tadellos, die Bodenhaftung scheint im Grenzbereich keine Grenzen zu kennen. Elektronikhilfen sorgen dafür, dass es in schnellen Kurven oder bei abrupten Richtungswechseln keine böse Überraschung gibt.
Auch im Innenraum geben sich die Kandidaten keine Blöße. Beide bieten sportlichen Luxus, hochwertiges Leder und sehenswerte Details. Der BMW ist gewohnt nüchtern, der Maserati elegant und deutlich charismatischer. Das Platzangebot kann sich hüben wie drüben sehen lassen. Nicht nachvollziehbar bleibt jedoch, wieso sich der Quattroporte in punkto Sitzkomfort derart mittelmäßig gibt. Beinauflage, Seitenhalt und Verstellmöglichkeiten sind deutlich schlechter als bei vielen Mittelklasselimousinen. Piloten über 1,85 Metern sitzen alles andere als gut. Auch Schalter, Knöpfe und das Navigationssystem des Maserati zeigen sich nicht auf der Höhe der Zeit.
Kostspielige Extras
Im schwarzen BMW-Leder fühlt man sich dagegen bestens aufgehoben. Alles denkbare lässt sich verstellen. Ähnlich wie bei Mercedes gibt es - aufpreispflichtig - fahrdynamische Sitze für Fahrer und Beifahrer. In drei Stufen pressen sich die Seitenwände der Sitze aktiv gegen die Zentrifugalkräfte. Eine prima Sache –- wenngleich die dynamische Unterstützung etwas weniger ruppig einsetzen könnte. Ganz billig ist der BMW nicht: Mit den standesgemäßen Extras liegt man spürbar über der magischen 100.00er-Marke.
Der Maserati ist kompletter ausgestattet, die Preisliste für den als Sport GT beginnt allerdings auch erst bei 115.000 Euro. Auch hier kann man einiges draufsatteln. Am Ende ist es eine Geschmacksfrage. Der Maserati ist das schönere Auto mit mehr Charme. Wer normative Maßstäbe und Alltagsnutzen bevorzugt kommt am BMW M5 jedoch nicht vorbei.