Verkaufen im Ikea-Stil - von Jürgen Pander spiegel.de, 30.06.06
Wolfsburg hat die Autostadt, Stuttgart das neue Mercedes-Benz Museum, München bald die BMW-Welt. Und in Turin eröffnete jetzt das "Mirafiori Motor Village". Allerdings geht es dort weniger um die Vergangenheit des Unternehmens, sondern vielmehr um dessen Zukunft.
In den besten Zeiten arbeiteten hier 70.000 Menschen. Es war die Zeit, als die "Fabbrica Italiana di Automobili" - kurz: Fiat - der Stolz Italiens war, als die Autos noch ganz schlicht "500", "600", "1100" oder "1400" hießen und eine ganze Stadt, ja beinahe das ganze Land von diesem Industriekonglomerat profitierten. Das 1939 errichtete Fiat-Stammwerk Mirafiori, im gleichnamigen Turiner Stadtteil auf rund drei Millionen Quadratmetern Fläche gelegen, war das Herz des Konzerns. Inzwischen schlägt es nur noch schwach, lediglich 11.800 Menschen finden hier noch Arbeit - doch es gibt Anzeichen der Genesung.
MIRAFIORI MOTOR VILLAGE: DIE ZUKUNFT DES AUTOKAUFS
Marken-Auftritt: Farbenfroher Empfang für die Besucher des "Mirafiori Motor Village" am Stammsitz des Fiat-Konzerns in Turin
Riesen-Logos: Die Plaza vor dem Haupteingang des "Mirafiori Motor Village" auf dem Gelände des nicht mehr ausgelasteten Fiat-Stammwerks
Fiat-Verkauf: Insgesamt 18.000 Autos der Marken Fiat, Lancia und Alfa sollen pro Jahr im neuen "Mirafiori Motor Village" verkauft werden
Alfa-Lounge: Inmitten feuerroter Alfa-Accessoires dürften sich die Fans der Marke wohlfühlen
Eines dieser Anzeichen ist zum Beispiel das "Mirafiori Motor Village", eine Art Autostadt in der Autofabrik. Nebenan werden die Fiat-Modelle Punto, Idea, Multipla, die Lancia-Modelle Musa und Thesis sowie der Alfa Romeo 166 gebaut - im "Motor Village" geht es darum, diese Autos und alle anderen der drei Marken zu verkaufen. "Im Grunde ist die neue Einrichtung ein gigantischer Händler, der jetzt erstmals alle Vertriebsaktivitäten von Fiat in Turin an einem zentralen Ort bündelt", erklärt Fiat-Sprecher Thomas Casper.
70.000 Quadratmeter umfasst das Areal, dessen Kernstück die drei Ausstellungs- und Verkaufssäle der drei Pkw-Marken sind. Doch handelt es sich nicht um Autohäuser gewöhnlichen Typs, denn beispielsweise sind von außen, durch die Schaufenster, nur die Fahrzeughecks zu sehen. "So sollen die Leute, die den Autos ins Gesicht schauen möchten, in den Ausstellungsraum gelockt werden", sagt Casper.
Fiat entdeckt die Ikea-Möglichkeiten
Die "Mirafiori Motor Village" ist in dieser Hinsicht ein Musterbetrieb für alle Fiat-Händler. Denn erstmals wurden die Räume mit Mobiliar von Ikea ausgestattet; die Italiener und die Schweden besiegelten ihre künftige Zusammenarbeit kürzlich per Vertrag. Doch Fiat möchte nicht nur die Möbel von den Skandinaviern, sondern auch einige Strategien des Ikea-Verkaufskonzepts übernehmen. "So, wie es in einem Ikea-Möbelhaus zum Beispiel eine Küchen- oder Kinderzimmer-Erlebniswelt gibt, so soll in Fiat-Autohäusern künftig auch zum Beispiel eine Familienwelt entstehen", erläutert Casper.
Dort würden dann die Familienautos der Marke präsentiert - zusammen mit den passenden Accessoires und in einem familiengerechten Ambiente. Während nebenan etwa eine Sportwelt oder eine Businesswelt eingerichtet werden könnte. Fiat-Sprecher Casper: "Es geht darum, die Konsequenz in der Vermarktung, die Ikea erreicht hat, für den Bereich Auto zu übernehmen."
Probefahrt auf dem Werksgelände
Stehst du noch oder fährst du schon? Nach diesem Motto bietet die "Motor Village" unter anderem auch Fahrsimulatoren für virtuelle Probefahrten sowie die Möglichkeit, auf der ehemaligen Prüfstrecke des Werkes die Autos tatsächlich zu bewegen, um so einen ersten realen Fahreindruck zu erhalten. Integriert in diese Autowelt ist natürlich ein Servicezentrum, ein Auslieferungsbereich sowie eine "Autonomy" genannte Abteilung, in der spezielle Angebote für Kunden mit körperlicher Behinderung vorgestellt werden.
Und natürlich, es handelt sich schließlich um eine italienische Einrichtung, gibt es ein "Café Mirafiori". Das jugendlich-modern eingerichtete Etablissement soll sich nach den Vorstellungen der Verantwortlichen zum Szene-Laden entwickeln. Die Öffnungszeiten jedenfalls deuten auf einen Mehrschichtbetrieb hin - schließlich sollen Künstler, Musiker, Virtuosen aller Art hier auftreten und das Publikum anlocken. Auf dass der eine oder die andere vielleicht doch an einem Fiat- oder Alfa-Heck hängen bleibt.
Da lohnt sich schon allein der Besuch in Turin, um einmal auf der legendären Teststrecke von Mirafiori ein Auto bewegen zu dürfen